Chancengleichheit und Teilhabe von Kindern und Jugendlichen sind zentrale Versprechen unserer Gesellschaft. Doch wie gut wird dieses Versprechen in den 400 Kreisen und kreisfreien Städten Deutschlands eingelöst? Und gibt es regionale Unterschiede? Dies untersucht eine neue Studie des Berlin Institut für Bevölkerung und Entwicklung, erarbeitet mit der Wüstenrot Stiftung und der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung.
Der „Teilhabeatlas – Kinder und Jugendliche“ zeigt: Kinder und Jugendliche in Deutschland haben – je nach Wohnort – unterschiedliche Möglichkeiten, am gesellschaftlichen Leben teilzuhaben. Das verdeutlichen statistische Daten, etwa zum Anteil der von Armut betroffenen Kinder und Jugendlichen oder der Schulabgänger*innen ohne Ersten Schulabschluss. Auch die Erreichbarkeit von Infrastruktur floss in die Bewertung ein.
Das Ergebnis ist eine Landkarte der Teilhabechancen von Kindern und Jugendlichen in Deutschland. Sie zeigt, wo junge Menschen gute Bedingungen vorfinden – und wo sie mit erheblichen Hürden konfrontiert sind. Die Unterschiede sind teils gravierend. Ein Beispiel ist die Kinderarmut: Während in manchen Gegenden im Ruhrgebiet 20 bis 30 Prozent der Kinder in Armut aufwachsen, liegt der Anteil in wirtschaftlich starken, ländlichen Regionen Süddeutschlands bei unter vier Prozent.
Bei der Bewertung der Teilhabe geht es auch darum, wie Kinder und Jugendliche ihre Situation selbst wahrnehmen: In acht Regionen, unter anderem in Wuppertal, wurden daher Gespräche mit jungen Menschen sowie Fachkräften aus Schule, Jugendhilfe und Kommunalpolitik geführt. Wie erleben Kinder und Jugendliche ihr Umfeld? Was fehlt ihnen? Was macht ihren Alltag lebenswert?
Die Interessen junger Menschen sind über Stadt- und Landesgrenzen hinweg ähnlich: Sie wollen Freundschaften pflegen, Sport treiben, Musik machen oder digitale Medien nutzen – idealerweise in Räumen, die sie selbst gestalten können. Doch selbst dort, wo Platz vorhanden ist, fehlt es oft am politischen Willen, diese Räume jungen Menschen zur Verfügung zu stellen.
Besonders wichtig ist Jugendlichen die Möglichkeit, mobil und unabhängig zu sein. Wenn etwa Jugendliche auf dem Land abends nicht eigenständig nach Hause kommen, ist das ein Hindernis für gesellschaftliche Teilhabe. Eine gute Bus- und Bahnanbindung sowie sichere Fahrradwege sind für junge Menschen entscheidend, um selbstbestimmt zur Schule, zu Hobbys oder Freund*innen zu gelangen.
Um Veränderungen anzustoßen, formuliert das Forschungsteam im Teilhabeatlas konkrete Handlungsempfehlungen. Dabei sehen die Autor*innen die Bildung als einen Schlüssel zur gesellschaftlichen Teilhabe. Das Forschungsteam fordert gezielte Investitionen in die Qualität von Schulen und in außerschulische Bildungsangebote. Darüber hinaus sollen Freizeitreffs vor Ort gefördert und öffentliche Räume besser erschlossen werden. Der Ausbau von ÖPNV und Fahrradwegen für eine selbstbestimmte Mobilität sowie die digitale Teilhabe werden von den Autor*innen als wichtig angesehen. Ebenso wie Beteiligungsmöglichkeiten junger Menschen bei Entscheidungen. Für letzteres braucht es den klaren politischen Willen, junge Menschen an allen sie betreffenden Entscheidungen zu beteiligen - möglichst barrierefrei und auf Augenhöhe.
Teilhabeatlas Kinder- und Jugendliche, Berlin Institut für Bevölkerung und Entwicklung, Mai 2025
ZDF-Bericht zum kommunalen Kinder- und Jugendbeirat Werder/Havel.