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Zu Beginn der Wahlperiode steht in den kreisangehörigen Gemeinden die Wahl von Ortsvorsteher*innen an. Der Gastbeitrag von Wilhelm Achelpöhler stellt unter Einbeziehung jüngster Gerichtsentscheidungen die Gestaltungsspielräume dar.

Aufgaben von Ortsvorsteher*innen

In den kreisangehörigen Gemeinden kann das Gemeindegebiet in Ortschaften aufgeteilt werden. Für diese Bezirke sind entweder Bezirksausschüsse zu bilden oder es können Ortsvorsteher*innen gewählt werden. Werden Bezirksausschüsse gebildet, sollen ihnen nach § 39 Abs. 3 GO im Rahmen des § 41 Abs. 2 Aufgaben zur Entscheidung übertragen werden, die sich ohne Beeinträchtigung der einheitlichen Entwicklung der gesamten Gemeinde innerhalb eines Gemeindebezirks erledigen lassen. 

Werden Ortsvorsteher*innen gewählt, so können diese die Belange seines Bezirks gegenüber dem Rat wahrnehmen. Der Ortsvorsteher oder die Ortsvorsteherin kann für das Gebiet seiner/ihrer Ortschaft mit der Erledigung bestimmter Geschäfte der laufenden Verwaltung beauftragt werden und ist sodann zum Ehrenbeamten oder Ehrenbeamtin zu ernennen. Je nach der Entscheidung des Rates trägt er/sie den Titel „Ortsbürgermeister“. Der Ortsvorsteher oder die Ortsvorsteherin führt diese Geschäfte in Verantwortung gegenüber dem Bürgermeister oder der Bürgermeisterin durch. Er/sie kann eine angemessene Aufwandsentschädigung erhalten. Deshalb sind Ortsvorsteher*innen Personen von besonderem politischen Gewicht.

Wahl durch den Rat

Ortsvorsteher*innen werden vom Rat gewählt. Dabei sind die Mitglieder des Rates in ihrer Wahlentscheidung nicht völlig frei, der/die Ortsvorsteher*in muss nach § 39 Abs. 6 GO „unter Berücksichtigung des bei der Wahl des Rates im jeweiligen Gemeindebezirk erzielten Stimmenverhältnisses“ gewählt werden. Die daraus resultierende Beschränkung seiner Entscheidungsbefugnis ist aber gering [1].  

Dem Rat steht ein Entscheidungsspielraum zu. Bestimmt er dabei zum Ortsvorsteher oder zur Ortsvorsteherin ein Mitglied der Partei, die in dem Bezirk das beste Stimmenergebnis erzielt hat, ist das regelmäßig nicht zu beanstanden. Maßgeblich ist insoweit, welche Partei eine einfache (relative) Mehrheit erzielt hat. Die Wahl eines Vertreters oder einer Vertreterin dieser Partei ist jedoch nicht zwingend. Zunächst muss der Rat keineswegs gerade die Person wählen, die von der stärksten Partei als Ortsvorsteher*in vorgeschlagen wird. Denn jede "Wahl" ist eine freie Wahl, weshalb es kein von einer Wahlentscheidung losgelöstes Benennungs- oder Besetzungsrecht gibt [2]. Der Rat kann daher einen konkreten Vorschlag für die Wahl zum Ortsvorsteher oder zur Ortsvorsteherin ablehnen. 

Entscheidungsspielraum

Der Rat muss auch keineswegs stets ein Mitglied der im Bezirk stärksten Partei wählen. Wenn der Vorsprung der besser platzierten Parteien so gering ist, dass er bei der Gewichtung der Mehrheitsverhältnisse vernachlässigt werden kann, es also ein „enges Rennen“ war, kann auch ein Vertreter oder eine Vertreterin der zweitstärksten Partei gewählt werden [3]. Maßgeblich ist dabei die Funktion des/der Ortsvorsteher*in, als Bindeglied zwischen Rat und Bevölkerung. Diese kann ein Ortsvorsteher oder eine Ortsvorsteherin nur schwer erfüllen, wenn er/sie eine Partei repräsentiert, die sich nicht oder nur in verhältnismäßig geringem Umfang auf das Vertrauen der Wähler*innen des Bezirks stützen kann.

Zum Ortsvorsteher oder Ortsvorsteherin kann auch eine Person bestimmt werden, die ein vor der Wahl gebildetes und den Wählerinnen und Wählern bekannt gemachtes Parteienbündnis repräsentiert, das als Bündnis die meisten Stimmen erzielt hat [4]. In einem solchen Fall, kann der/die Ortsvorsteher*in sogar einer der kleineren Parteien angehören. Diese Parteienbündnisse müssen aber grundsätzlich vor der Wahl gebildet werden und müssen den Wählerinnen und Wählern rechtzeitig, also vor Beginn der Briefwahl bekannt gemacht werden. Die Bildung von Bündnissen erst nach der Wahl hat „in aller Regel“ keine Bedeutung, weil sie nicht von den Wählerinnen und Wählern berücksichtigt werden konnte [5].  

Auch hier kann es aber eine Rolle spielen, ob der/die Vertreter*in eines solchen Bündnisses besser die Funktion eines Ortsvorstehers erfüllen kann, etwa weil das vorgeschlagene Mitglied der relativ stärksten Partei in dem Bezirk zwar die meisten Stimmen erzielt hat, aber politisch isoliert ist.

Zum Autor: Wilhelm Achelpöhler ist Rechtsanwalt, Fachanwalt für Verwaltungsrecht und Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht in Münster

 


[1] Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 14. Oktober 1988 – 15 A 1004/86

[2] Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 11. November 2024 – 15 A 1404/23 –

[3] Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 14. Juni 1994 – 15 A 1389/91 –, 

[4] VG Köln, Urteil vom 14. März 2011 – 4 K 3732/10 –

[5] Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 14. Juni 1994 – 15 A 1389/91 –, Rn. 63