Die Landesregierung will das NRW-Kommunalrecht jünger und familienfreundlicher gestalten. Auch eine deutliche Vereinfachung des Vergaberechtes sowie Erleichterungen bei der interkommunalen Zusammenarbeit sind vorgesehen. Hierfür sollen unter anderem Gemeindeordnung, Kreisordnung sowie die Landschaftsverbandsordnung angepasst werden. Ein entsprechender Gesetzentwurf liegt vor und befindet sich in der Abstimmung der Verbände. Der Plan der Landesregierung ist es, den Entwurf noch vor der nächsten Kommunalwahl zu verabschieden. Die wichtigsten Änderungen im Überblick:
- Begrenzung der Sitzungszeiten, Anwesenheit von Kindern in Sitzungen und Fraktions-Doppelspitze
Der Gesetzentwurf enthält verschiedene Änderungen, um das kommunale Ehrenamt familienfreundlicher zu machen. So soll zum Beispiel die Möglichkeit, Sitzungszeiten über die Hauptsatzung zu begrenzen, in der Gemeindeordnung verankert werden (§47 GO, §32 KrO). Dies ermöglicht eine bessere Planbarkeit. Darüber hinaus soll klargestellt werden, dass betreuungsbedürftige Kinder von Mandatsträger*innen gemeinsam mit ihren Eltern auch in nicht-öffentlichen Sitzungen anwesend sein dürfen (§48 GO, §33 KrO). Nachdem sie bereits Anfang 2024 in der Entschädigungsverordnung (EntschVO) aufgenommen wurde, wird die Fraktions-Doppelspitze nun auch gesetzlich verankert (§16 GO, §31 KrO).
- Mindestalter für sachkundige Bürger*innen wird gesenkt, stärkere Einbindung von Kindern und Jugendlichen
Das Mindestalters für Sachkundige Bürger*innen soll auf 16 Jahre abgesenkt werden (§58 GO, §41 KrO). Um Kinder und Jugendliche besser einzubeziehen, sollen zudem die Vorgaben für die Bildung von Jugendräten vereinheitlicht werden (§27a GO). Wo noch nicht vorhanden, sollen Kinder und Jugendliche in Zukunft selbst durch ein entsprechendes Initiativrecht beantragen können, dass ihre Kommune einen Jugendrat bekommt. Durch eine weitere Änderung soll die Teilnahme von Sachkundigen Bürger*innen an nichtöffentlichen Sitzungen ermöglicht werden.
- Ausschuss für Chancengleichheit und Integration statt Integrationsrat
Der Gesetzentwurf sieht eine Veränderung der integrationspolitischen Strukturen vor (§27 GO) vor. Die bisherigen Integrationsräte sollen zu Ausschüssen für Chancengerechtigkeit und Integration aufgewertet und in die üblichen Beratungsabläufe der Stadt- und Gemeinderäte integriert werden. Dies war insbesondere vom Landesintegrationsrat gefordert worden und soll die politische Teilhabe von Menschen mit Einwanderungsgeschichte stärken.
- Kreistage sollen in Zukunft Beigeordnete wählen dürfen (§§ 47ff KrO)
Kreistage sollen in Zukunft Beigeordnete wählen dürfen und damit die gleichen Rechte zur politischen Mitbestimmung über den Verwaltungsvorstand erhalten, wie Stadt- und Gemeinderäte. Dies stärkt die Stellung des Kreistags gegenüber der/dem hauptamtlichen Landrätin/Landrat sowie die demokratische Legitimation der Kreisverwaltungen gleichermaßen.
- Untergrenze Fraktionsbildung zukünftig von Ratsgröße abhängig
Insbesondere in größeren Städten werden immer wieder Anpassungen in Bezug auf die zunehmende Zersplitterung der Räte gefordert. Der Gesetzentwurf sieht auch an dieser Stelle Änderungen vor (§56 GO, §40 KrO). Bislang wurde bezüglich der Untergrenze für die Fraktionsbildung zwischen kreisfreien und kreisangehörigen Kommunen unterschieden. Zukünftig soll dies allein von der Größe des Rates abhängen. In kleineren Räten und Bezirksvertretungen bleibt es bei einer Untergrenze von zwei Mitgliedern. In allen Räten und Kreistagen mit über 50 Sitzen soll die Untergrenze für Fraktionen zukünftig drei Mitglieder, über 74 Sitzen vier und über 90 Sitzen fünf Mitglieder betragen. Die Untergrenze von fünf Mitgliedern soll darüber hinaus auch in den Landschaftsversammlungen (§16a LVerbO) und der Regionalversammlung des RVR (§11 RVRG) gelten. Die geplante Änderung soll die Arbeitsfähigkeit in großen Räten sichern.
- Größe Landschaftsversammlungen begrenzen
Um ein weiteres Anwachsen der Landschaftsversammlungen von LWL und LVR zu begrenzen, sollen neue Obergrenzen für die über die Reservelisten vergebenen Mandate eingeführt werden. Diese sollen in Zukunft maximal ein Drittel der Sitze in den Landschaftsversammlungen ausmachen (§7b LVerbO).
- Neuregelung Altersvorsitz
Der Gesetzentwurf sieht darüber hinaus eine Neuregelung des Altersvorsitzes in Räten und Ausschüssen vor. Der Altersvorsitz soll zukünftig nicht mehr vom Lebensalter abhängig sein. Ausschlaggebend wird dann sein, welches Mitglied dem jeweiligen Vertretungsorgan am längsten ununterbrochen angehört.
- Erweiterung der interkommunalen Zusammenarbeit (§4 GO)
Die interkommunale Zusammenarbeit soll sich in Zukunft nicht mehr auf benachbarte Gebietskörperschaften beschränken, sondern auch Gemeinden, die nicht in direkter Nachbarschaft zueinander liegen, offenstehen. In vielen Fällen – gerade im Bereich der digitalen Zusammenarbeit – hat die örtliche Nähe der kooperierenden Kommunen keine Auswirkung auf die Güte der Aufgabenerfüllung. Damit soll eine Restriktion wegfallen, die in der Vergangenheit viele denkbare Kooperationen zwischen nicht benachbarten Kommunen verhindert hat.
- Kommunales Vergaberecht soll vereinfacht werden
Mit dem Gesetzentwurf soll die Unterschwellenvergabe für Kommunen weiter erleichtert werden. Hierzu sollen die landesrechtlichen Wertgrenzen für kommunale Vergabeverfahren aufgehoben werden. Die Vorgaben in § 75a GO NRW über die „Allgemeinen Vergabegrundsätze“ stellen sicher, dass die Kommunen die Grundprinzipien der Vergabe im Hinblick auf Wirtschaftlichkeit, Effizienz und Sparsamkeit einhalten. Damit erhalten alle nordrhein-westfälischen Kommunen künftig vergaberechtlich ebenso viel Handlungsfreiheit wie ihre Tochtergesellschaften. Das ist ein erheblicher Beitrag zum Bürokratieabbau.
"Gesetzentwurf zur Änderung kommunalrechtlicher Vorschriften im Land Nordrhein-Westfalen" vom 13. Februar 2025