
Die Bildung der Ratsausschüsse
Gastbeitrag von Wilhelm Achelpöhler, Münster
Ein wesentlicher Teil der kommunalen Politik spielt sich in den Ausschüssen ab. Der Gastbeitrag von Wilhelm Achelpöhler, Fachanwalt für Verwaltungsrecht, stellt unter Einbeziehung jüngster Gerichtsentscheidungen die Gestaltungsspielräume dar.
Die Räte bilden regelmäßig neben den gesetzlich vorgesehenen Ausschüssen Hauptausschuss, Finanzausschuss und Rechnungsprüfungsausschuss weitere Ausschüsse, die einen Großteil der Arbeit übernehmen, indem entweder die Angelegenheiten vorberaten werden oder auch beschlossen werden, soweit die Entscheidung nicht nach § 41 Abs1. GO dem Rat vorbehalten ist.
Spiegelbildlichkeit der Ausschüsse
Einigen sich die Fraktionen nicht über die Bildung der Ausschüsse wird nach Verhältniswahl, also dem Verfahren Hare Niemeyer gewählt. Danach erhält jede Fraktion zunächst so viele Sitze, wie ihr entsprechend dem Stimmenanteil für ihren Wahlvorschlag zustehen. Zunächst werden die Sitze nach ganzen Zahlen vergeben, danach werden die Sitze nach der Nachkomma Stelle vergeben, bis alle Sitze besetzt sind. Dieses Verfahren gewährleistet die Spiegelbildlichkeit der Ausschüssen, wonach die Ausschüsse die Kräfteverhältnisse im Rat wiederspiegeln müssen. Listenverbindungen, die insbesondere bei Anwendung des Höchstzahlverfahrens nach d’Hondt sinnvoll sein konnten sind unzulässig.
Zwei politische Entscheidungen kann man bei der Bildung der Ausschüsse gleichwohl treffen: welche Größe haben die Ausschüsse und in welchem Umfang gehören ihnen sachkundige Bürger*innen an.
Gestaltungsspielraum bei der Größe der Ausschüsse
Regelungen zur Größe der Ausschüsse finden sich in der Gemeindeordnung nicht. Daraus ergibt sich ein erheblicher Gestaltungsspielraum des Rates, bzw der Ratsmehrheit[1]. Gleichwohl wird in der Rechtsprechung problematisiert, ob es hier eine Untergrenze für die Größe der Ausschüsse gibt, weil von der Größe der Ausschüsse letztlich abhängt, ob auch kleinere Fraktionen in den Ausschüssen mit Sitz und Stimme vertreten sind. Allerdings müssen die Ausschüsse keine Größe haben, dass jede Fraktion ein stimmberechtigtes Mitglied im Ausschuss hat[2]. Das hat zur Folge, dass die im Rat wirksamen Kräfteverhältnisse im Ausschuss nur gebrochen zum Ausdruck kommen. Zur Sicherung der Arbeitsfähigkeit der Ausschüsse ist das hinnehmbar.
Aber wo liegt eine solche Untergrenze? Teils wird in der Rechtsprechung davon ausgegangen, dass eine Ausschussgröße von einem Viertel des Rates ausreichend die Kräfteverhältnisse wiederspiegelt[3]. Teils darf es noch etwas kleiner sein: das VG Münster war einmal der Ansicht, dass ein Ausschuss mit einem Fünftel[4] der Ratsmitglieder ausreichend sei, auch eine Größe von 18,9 % der Rastmitglieder soll ausreichend sein, so das VG Minden[5]. Selbst wenn Fraktionen, die 10 % der Ratssitze haben nicht im Ausschuss vertreten sind[6], sei das nicht zu beanstanden wohl aber wenn die nicht im Ausschuss vertretenen Fraktionen zusammen mehr als 16 % der Mitglieder des Rates ausmachen[7]. Mit dem Ausschluss einzelner Fraktionen von der stimmberechtigten Mitwirkung in den Ausschüssen herrschen dann im Ausschuss etwas andere Mehrheitsverhältnisse als im Rat. Das ist letztlich die zwangsläufige Folge davon, dass nur Fraktionen Wahlvorschläge für die Ausschüsse machen können und bei den Abstimmungen im Rat auch Gruppen und fraktionslose einzelne Ratsmitglieder mitstimmen.
Mit der Festlegung der Größe der Ausschüsse bestehen also ganz erhebliche Gestaltungsmöglichkeiten.
Gestaltungsspielraum bei Sachkundigen Bürger*innen
Ferner muss der Rat entscheiden, ob den Ausschüssen sachkundige Bürger*innen angehören. Er muss ihre Zahl festlegen, wobei es mehr Ratsmitglieder als sachkundige Bürger*innen geben muss. Die Zahl der sachkundigen Bürger*innen kann zunächst als Höchstzahl bestimmt werden. Nach einer jüngeren Entscheidung des VG Minden[8] kann auch eine fixe Zahl von sachkundigen Bürger*innen bestimmt werden. Also kann beispielsweise bestimmt werden, dass einem Ausschuss mit 11 Mitgliedern 6 Ratsmitglieder und 5 sachkundigen Bürger*innen angehören. Ebenfalls zulässig soll es dann auch sein, dass die auf die jeweiligen Fraktionen entfallenden Ausschussmitglieder getrennt nach Ratsmitgliedern und sachkundigen Bürgern bestimmt werden. Das kann erhebliche Auswirkungen auf die Zusammensetzung der Ausschüsse haben. Im Beispiel des Ausschusses mit 11 Mitgliedern kann es sein, dass eine Fraktion zwar in einem Ausschuss mit 11 Ratsmitgliedern vertreten wäre, nicht aber eines von nur 6 Ratsmitgliedern bestimmen kann, die dem Ausschuss neben 5 sachkundigen Bürgern angehören. Die Entscheidung des VG Minden ist im Hinblick auf den Grundsatz der Spiegelbildlichkeit zweifelhaft und noch nicht rechtskräftig.
Fraktionen, die der Ansicht sind, dass die Ausschussbildung sie zu Unrecht benachteiligt, können und sollten dies bereits vor der Beschlussfassung des Rates rügen, um sich den Weg zu einer gerichtlichen Überprüfung offen zu halten.
Zum Autor: Wilhelm Achelpöhler ist Rechtsanwalt, Fachanwalt für Verwaltungsrecht und Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht in Münster
[1] OVG NRW, Beschlüsse vom 24. November 2017 - 15 A 2331/15 - sowie 27. Mai 2005 - 15 B 673/05-
[2] OVG NRW, Urteil vom 2. März 2004 - 15 A 4168/02
[3] VG Düsseldorf Urteil vom 14. Dezember 2001 - 1 K 7978/99 -, OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 15. Mai 2013 - 10 A 10229/13 -; OVG Schleswig, Urteil vom 15. März 2006 - 2 LB48/05
[4] VG Münster, Urteil vom 8. Dezember 2015 – 1 K 2591/14 - Ausschüsse mit 9 Mitgliedern bei einem Rat mit 44 Mitgliedern
[5] VG Minden, Urteil vom 3.6.2025 - 2 K 2865/21- (n.rk.)
[6] VGH München, Urteil vom 07.10.1992 - 4 B 91.2372
[7] Sächsische OVG Beschluss vom 14.09.2010 Aktenzeichen: 4 B 87/10
[8] VG Minden, Urteil vom 3.6.2025 - 2 K 2865/21 - (n.rk.)